Welches Zugpferd vor den Karren?

Quelle: Neue Zürcher Zeitung

Ob börsenkotierter Indexfonds oder Tracker-Zertifikat – Anleger können aus einer breiten Palette passiver Finanzprodukte wählen. Nur ein gewisses Grundwissen schützt vor Fehlentscheiden.

Passives Investieren ist in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Modewort unter Anlegern geworden. Finanzprodukte, deren Wertentwicklung starr – sprich passiv – den Kursverlauf eines zugrunde liegenden Indexes abbildet, gelten als leicht verständliche, günstige Investments; vor allem im Gegensatz zu aktiv verwalteten Anlagefonds, bei denen der Käufer oft nicht nur einen teilweise hohen Ausgabeaufschlag zu zahlen hat, sondern darüber hinaus noch Jahr für Jahr höhere Verwaltungsgebühren tragen muss. Dafür wird sein Geld dann beim Fondsanbieter von Experten verwaltet. Unterm Strich schaffen diese aber nur selten Mehrwert. Den meisten Fondsmanagern gelingt es nicht, nachhaltig höhere Renditen zu erzielen als ihr Vergleichsindex.

Beliebtes Deckmäntelchen

Die Beliebtheit passiver Ansätze zeigt sich vor allem in der Zahl der börsenkotierten Indexfonds (Exchange-Traded Funds; ETF). An der Schweizer Börse SIX waren zuletzt mehr als 900 solche Produkte gelistet – gut sechsmal so viele wie beim Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 (vgl. Grafik). Tatsächlich haben passive Anlagestrategien viele Vorteile. Ihr Erfolg hat aber auch dazu geführt, dass immer mehr Finanzunternehmen versuchen, unter diesem Deckmäntelchen Anlageprodukte zu vertreiben, die dem ursprünglichen Gedanken des passiven Investierens nicht mehr voll entsprechen. Der mündige Privatanleger muss daher immer genauer auf den Index achten, auf den sich das jeweilige Anlagevehikel bezieht. Zum anderen ist es eine Conditio sine qua non fürs Investieren, sich der Eigenheiten der verschiedenen Investment-Angebote bewusst zu sein.

ETF gelten als passive Finanzprodukte schlechthin. Im rechtlichen Sinne handelt es sich bei ihnen um die gleichen Vehikel wie bei klassischen Anlagefonds. Der Investor erwirbt über die Börse Anteile an einer Gesellschaft, die die ihr zur Verfügung gestellten Mittel nach einem bestimmten Schema in Wertschriften investiert. Im Unterschied zu einem aktiv verwalteten Fonds besteht das Schema bei einem ETF aber in der starren Replikation eines Indexes. Zu den beliebtesten ETF zählen denn auch jene auf wichtige Aktienindizes wie den globalen MSCI-World-Index, den deutschen DAX oder den amerikanischen S&P 500.

Neben ETF werden aber auch bestimmte Arten von strukturierten Produkten, vornehmlich sogenannte Tracker-Zertifikate, als passive Investment-Lösungen vermarktet. Wie ETF bilden Tracker die Kursentwicklung eines Basiswerts weitgehend ab. Der wichtigste Unterschied zu den Indexfonds ist dabei, dass strukturierte Produkte Schuldverschreibungen des Emittenten sind. Wenn dieser in die Zahlungsunfähigkeit gerät, wie 2008 die Investmentbank Lehman Brothers, kann der Kunde sein in die jeweiligen Produkte investiertes Geld meist in den Wind schreiben.

Zunehmende Aktivitäten bei börsenkotierten Indexfonds

Weitreichenden Schutz vor diesem Risiko bieten pfandbesicherte Zertifikate, die in der Schweiz unter dem Markennamen Cosi von mehreren Banken angeboten werden ( NZZ 22. 11. 12 ). Bei diesen Produkten hinterlegt der Emittent Geld und Wertschriften bei der SIX. Im Konkursfall verwertet die Börse diese Pfänder zugunsten der Zertifikate-Besitzer. Jedoch kostet dieser Schutz etwa 0,5% Rendite pro Jahr.

Punkto Sicherheit des investierten Vermögens lohnt aber auch bei ETF ein genauerer Blick. Viele, sogenannte synthetisch replizierende ETF halten die im Index enthaltenen Wertpapiere nämlich nicht physisch, sondern generieren die entsprechende Rendite durch den Einsatz von Derivaten (Swaps). Dadurch bestehen auch hier gewisse Gegenparteirisiken. Zudem werden auch immer mehr Produkte als Exchange-Traded Commodities (ETC) und Exchange-Traded Products (ETP) angeboten. Diese sind meist ebenfalls Schuldverschreibungen des Emittenten und keine separierten Vehikel wie ETF – somit muss auch hier das Risiko eines Konkurses des Emittenten beachtet werden.

Keine Tracker auf Kursindizes

Bei den Verwaltungsgebühren sind viele ETF, gerade solche auf bedeutende Indizes, kaum zu schlagen. Die Website «ETF Database» listet etwa mehr als 100 Indexfonds mit Gesamtkosten-Raten (Total Expense Ratio, TER) von 0,15% oder weniger auf. Die TER gilt als wichtigste Masszahl für die jährlichen Kosten, die dem Anleger für das Halten eines ETF verrechnet werden. Allerdings sind zahlreiche börsenkotierte Indexfonds auch deutlich teurer. Der simple Schluss «ETF gleich billig» sollte eine genaue Prüfung der Gebührenstruktur deshalb nicht ersetzen.

Dies gilt auch für strukturierte Produkte. Bei diesen fehlt bis dato eine branchenweit etablierte Kosten-Masszahl wie die TER. Bei Tracker-Zertifikaten richtet sich die Gebührenstruktur nach der Art des zugrunde liegenden Indexes. Bei einem Tracker auf einen Kursindex wie den SMI verrechnet der Emittent oft keine Verwaltungsgebühr. Dafür streicht er einen grossen Teil der Dividende, zum Teil gar die gesamte Ausschüttung, ein. Angesichts einer Dividendenrendite von 2,9% ist daher etwa ein Tracker-Zertifikat auf den SMI kein empfehlenswertes Investment. Bei Performanceindizes wie dem DAX, in deren Berechnung Dividendenzahlungen einfliessen, wird dagegen meist eine Verwaltungsgebühr einbehalten.

Nicht ignorieren darf man zudem jenen Kostenblock, der in Masszahlen wie der TER oder der Verwaltungsgebühr nicht enthalten ist. Dies betrifft vor allem die Handelskosten. Diese fallen zum einen direkt durch die Kauf- und Verkaufsspesen an, die Depotbank und Börse beim Handel mit passiven Finanzprodukten berechnen. Zum anderen muss man auch die indirekten Kosten beachten, die vor allem durch die Spanne zwischen Geldkurs und Briefkurs entstehen. Wer etwa ein Zertifikat oder einen ETF zu einem Briefkurs von Fr. 100.20 erwirbt, dessen Geldkurs zur gleichen Zeit mit Fr. 99.80 angegeben wird, verliert mit dem Kauf sofort 0,4% seines Geldes, weil er den ETF nur zum niedrigeren Geldkurs wieder verkaufen kann. Gerade bei kurzfristigen Investments fallen diese Gebühren ins Gewicht. Hält man beispielsweise einen ETF mit einer Geld-Brief-Spanne von 0,4% für nur zwei Monate, so ergeben sich aufs Jahr gerechnet 2,4% an indirekten Handelskosten.

Die Geld-Brief-Spanne ist zudem ein wichtiger Indikator für die Liquidität eines Anlageprodukts. Diese ist gerade bei strukturierten Produkten ein beachtenswerter Faktor, weil bei diesen nur der Emittent An- und Verkaufskurse stellt – oder eben auch nicht. Daher empfiehlt sich ein Blick auf sogenannte Market-Maker-Statistiken. Diese von Analysefirmen berechneten Masszahlen ermöglichen auf Basis der Geld-Brief-Spannen und der zeitlichen Verfügbarkeit von An- und Verkaufskursen einen einfachen Vergleich verschiedener Emittenten. So lässt sich das Risiko reduzieren, das Produkt im Ernstfall nicht oder nur zu schlechten Konditionen verkaufen zu können.