Neue Kritik an Exchange-Traded Funds

Quelle: Neue Zürcher Zeitung

Marktteilnehmer ergänzen Bedenken von Aufsichtsbehörden

Die bei Anlegern immer beliebteren Exchange-Traded Funds haben nicht nur die Aufmerksamkeit von Regulatoren geweckt, sondern stossen auch auf neue Kritik in Marktkreisen.

Wie von unsichtbarer Hand gesteuert hatten im April gleich drei internationale Regulatoren kritische Berichte über die bei institutionellen und privaten Anlegern zunehmend beliebten Exchange-Traded Funds (ETF) bzw. börsennotierten Indexfonds aufgelegt. Der Financial Stability Board (FSB), in dem Aufsichtsbehörden von 24 Ländern mit dem Ziel zusammenarbeiten, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu stärken, war zum Schluss gekommen, dass der Trend zu immer komplexeren, «financially engineered» ETF potenzielle Risiken für die Systemstabilität birgt und deshalb aufmerksam beobachtet werden sollte (NZZ 13. 4.11). Ähnlich wies der Internationale Währungsfonds (IMF) in seinem «Global Financial Stability Report» auf mögliche mit der zunehmenden Komplexität der Instrumente verbundene Systemrisiken hin. Und ein Arbeitspapier der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) stellte fest, dass der durchaus vorteilhaften Ausweitung der Finanzmärkte durch ETF höhere Risiken für die Stabilität des Finanzsystems gegenüberstünden.

Jetzt hat sich ein Veteran der Londoner City wieder zu Wort gemeldet. Terry Smith vom Fundsmith Equity Fund, früher bei Collins Stewart, ist bekannt für klare Analysen von Fehlentwicklungen. So hatte er bereits Anfang der 1990er Jahre auf Auswüchse der kreativen Buchführung von Unternehmen aufmerksam gemacht. Später nahm er den Bilanzierungsskandal Enron zum Anlass, um Anleger vor Bewertungskriterien zu warnen, die wie der Gewinn pro Aktie oder der betriebliche Cashflow (Ebitda) zu Buchhaltungsunfug verleiten können. Nun hat sich Smith den Markt für ETF näher angeschaut und ist zu dem Schluss gekommen, dass es dort einzelne bedenkliche Entwicklungen gibt.

In seinem Fonds-Jahresbrief äusserte er die Befürchtung, dass ETF, die er als Investment-Modeerscheinung bezeichnet, manchmal unter falschem Etikett vertrieben würden. Vor allem Short-ETF und Leveraged-ETF verhielten sich nicht wie reine Indexfonds und hätten eine andere Performance. Wie die Regulatoren in ihren Berichten wies er auf das Problem hin, dass synthetische ETF nicht einen Korb der Wertpapiere enthalten, die sie abbilden, sondern auf Swaps mit anderen Finanzinstituten basieren und damit Gegenparteirisiken und Besicherungsprobleme aufwerfen.

In seinem jüngsten Kommentar geht Smith einen Schritt weiter. Er vermutet, dass es noch grössere Probleme mit ETF als Missverständnisse und «Mis-Selling» geben könnte. Da ETF an der Börse gehandelt werden, besteht die Möglichkeit des Short-Selling. Sind Leerverkäufer in grossem Stil aktiv, trete die Gefahr auf, dass die Aktiva des Fonds deutlich geringer sein können, als die ausstehenden Kaufaufträge andeuten. Investoren, die ETF von Leerverkäufern erwerben, hätten keinen Anspruch auf die unterlegten Fonds-Aktiva; sie hielten vielmehr nur ein Versprechen des Leerverkäufers, die verkauften ETF zu liefern. Ein signifikantes Problem sei diese Entwicklung durch die Tatsache geworden, dass bei manchen ETF die Leerverkäufe extrem hohe Niveaus – bis zu 1000% – erreichen.

Auch ein anderer Marktspezialist weist auf unbeabsichtigte Folgen des kräftigen Wachstums des ETF-Marktes, der bereits mehr als 2000 Fonds im Wert von über 1 Bio. $ umfasst, hin. Andrew Bogan von der Aktien-Anlage-Firma Bogan Associates (Boston) betonte in einem Fernsehinterview, der «Flash Crash» in den USA vom 6. Mai 2010 habe einige strukturelle Probleme des ETF-Marktes (und möglicherweise des gesamten Aktienmarktes) aufgezeigt. Laut Bogan haben rund 70% der annullierten Transaktionen ETF betroffen, während ETF nur 11% aller kotierten Wertpapiere ausmachten. Zwar würden ETF aktiver als viele Aktien gehandelt, machten aber nicht einen derart grossen Anteil des Handelsvolumens aus. Zwar würden die inneren Zusammenhänge trotz Untersuchungen noch nicht vollständig verstanden, aber es habe sich gezeigt, dass in einer Krise der ETF-Markt sich nicht in einer Weise verhalte, wie die Logik des Finanzmarktes erwarten liesse. Das Niveau der Shorts bezeichnete Bogan als schockierend.