Bond-Indizes mit Fallstricken

Quelle: Neue Zürcher Zeitung

Hohes Gewicht «verschwenderischer» Staaten und Firmen

Bei den Investoren sind Index-Anlagen wie Exchange-Traded Funds (ETF) oder Indexzertifikate auf dem Vormarsch. Die Anleger sparen hier Gebühren, da die Produkte Börsen-Barometer abbilden und die Gehälter teurer Fondsmanager einsparen. Die Anleger haben aber nicht alle «Hausaufgaben» erledigt, bloss indem sie eine Index-Anlage auswählen. Angesichts der Popularität der Investmentvehikel ist ein regelrechter Dschungel an Indizes entstanden, und viele der Barometer sind fragwürdig zusammengesetzt. Dies gilt nicht nur für Aktienindizes (vgl. NZZ 28. 2. 11), sondern vor allem auch für Obligationen-Benchmarks. Anhand dieser wird die Entwicklung von festverzinslichen Wertpapieren – vor allem Staatsobligationen und Unternehmensanleihen – gemessen.

Anspruchsvolle Konstruktion

Laut Hortense Bioy, ETF-Analytikerin beim Fondsresearch- Haus Morningstar, ist die Konstruktion von investierbaren Obligationen-Indizes sehr viel anspruchsvoller als diejenige von Aktienindizes. Dies liegt unter anderem daran, dass Bonds eine begrenzte Laufzeit haben und sich ihre Kurse stark in Richtung des Rückzahlungspreises entwickeln, wenn die Laufzeit dem Ende zugeht. Folglich ist es zwingend nötig, die Zusammensetzung der Obligationenindizes regelmässig zu ändern.

Die Genfer Privatbank LODH hat jüngst bei einer Präsentation in Zürich die Probleme der nach Marktkapitalisierung gewichteten Bond-Indizes thematisiert. Diese wendeten sich aufgrund ihrer Konstruktion in der Praxis gegen die Investoren, hiess es dort. Solche Indizes nehmen alle Bonds in ihrem Bereich auf, die die Kriterien einer gewissen Laufzeit, eines bestimmten Volumens und eines Mindest-Ratings erfüllen. Bei den marktgewichteten Staatsanleihen-Barometern bekommen folglich Länder, die sich stärker verschulden, umso mehr Gewicht im Index.

Auch ein Zürcher Bond-Fondsmanager sieht dies so: Grosse Schuldner seien an den Bond-Märkten in einer starken Position, da sie sicher sein könnten, dass ihre Bonds auch gekauft würden, sobald sie einmal emittiert hätten. Schliesslich seien diese ja in den Indizes enthalten. So steigen die Ausfallrisiken für die Investoren. Die Analytiker der Westschweizer Bank kritisieren zudem, die Zusammenstellung der Indizes sei abhängig von den Rating-Agenturen, die oft hinterherhinkten.

Entwicklung neuer Barometer

Ähnliche Probleme gibt es bei den Indizes auf Unternehmensobligationen. So habe die Konstruktion der Bond-Barometer in der Vergangenheit bereits dazu geführt, dass Index-Investoren in die Anleihen der «verschwenderischsten» Unternehmen investiert hätten, teilten die Vertreter der Westschweizer Bank mit. Dies sei beispielsweise 2001 der Fall gewesen, als sich Telekomkonzerne für den Kauf von UMTS-Lizenzen übermässig verschuldet hätten, was sich in der starken Gewichtung innerhalb vieler Obligationen-Indizes gespiegelt habe. Auch Bioy sieht dieses Problem. In Barometern auf Unternehmensobligationen seien beispielsweise Banken oft überrepräsentiert, da viele Finanzhäuser zu den Emittenten mit den grössten Volumina zählten. Laut den Vertretern von LODH betrug das Gewicht des Finanzsektors innerhalb des marktgewichteten Euro-Unternehmensanleihen- Universums unmittelbar vor dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 sage und schreibe 60%.

Gegentrends erkennbar

In der Finanzbranche gibt es bereits gewisse Trends eines «Gegensteuerns» gegen solche Effekte. So werden zunehmend neue Bond-Indizes entwickelt, die sich nicht nur an der Marktkapitalisierung, sondern auch an Fundamentaldaten der Emittenten sowie an deren Willen, ihre Schulden zu bezahlen, orientieren. Laut Jochen Korb, Analytiker bei der Bank LBBW, setzen sich zudem vor allem im Bereich der Hochzinsanleihen Indizes durch, bei denen ein Emittent nur ein gewisses Höchstgewicht innerhalb des Barometers haben darf.

Gemäss dem Zürcher Bond-Fondsmanager haben viele institutionelle Investoren auf die Probleme der Indizes reagiert und eigene Bond-Barometer lanciert. Diese sind in der Fachsprache als «customized»-Indizes bekannt. Laut seinen Worten lassen sich die gängigen Benchmarks von Anbietern wie JP Morgan, Citigroup, Markit iBoxx oder die Swiss-Bond-Index-Familie zwar verwenden, allerdings seien etwaige «Klumpenrisiken» zu berücksichtigen.