«Im Tiefzinsumfeld sind Dividendenstrategien sehr sinnvoll»

Quelle: Neue Zürcher Zeitung

Exchange-Traded Funds seien als Fondsstruktur allem anderen überlegen, sagt Hector McNeil, Co-Gründer und Chef von Wisdom-Tree

Wisdom Tree

NZZ am Sonntag: Sie bieten in der Schweiz neu Exchanged-Traded Funds an, die auf Dividendenaktien setzen. Wieso bauen Sie die Indizes, denen Ihre Produkte folgen, selbst?

Hector McNeil: Wir sind schon sehr lange überzeugte Anhänger von ETF. Es ist für Anleger das beste Fondskleid der Welt und wird sich durchsetzen. Wir glauben aber auch, dass es intelligentere und weniger intelligente Indizes gibt, denen man folgen kann. Den Eigenbau nennt man heute Smart Beta, und viele tun es. Aber wir waren 2006 einer der Ersten, die darauf setzten.

Was ist besser am selbstgebastelten Index, im Vergleich mit Indizes von der Stange?

Die meisten Dividendenindizes basieren auf der Dividendenrendite. Die Aktien werden also nach Höhe ihrer Dividendenrendite rangiert. Macht man das, erhalten Sie einen Korb mit zu vielen kleinen und mittleren Aktien. Wir rangieren die Aktien eines Marktes in einem ersten Schritt auch nach der Dividendenrendite. Dann aber nehmen wir das oberste Drittel und gewichten die Titel in unserem Index nach nominal ausbezahlten Dividenden. Damit können wir eine höhere Performance erzielen.

Können Sie das Konzept an einem Beispiel illustrieren?

Klar. Nehmen Sie Exxon und Apple: Beide schütten je rund 11 Mrd. $ aus. Es sind die zwei besten Dividendenzahler in den USA. Der gesamte Markt zahlt 400 Mrd. $ jährlich an die Aktienbesitzer. Die zwei Aktien erhalten dadurch also je rund 3% in unserem US-Equity-Index. Damit profitieren Anleger überproportional von diesen attraktiven Dividendenzahlern.

Dividendendindizes enthalten oft viele Aktien, die zu tiefen Kursen gehandelt werden, das Spiegelbild einer hohen Dividendenrendite quasi. Eliminiert Ihr Konzept dieses Problem?

Das stimmt. Aber wichtig ist eben das Rebalancing. Auch dazu ein Beispiel: Der Wert von Exxon sinkt, die Dividende bleibt stabil – Apple schüttet auch gleich viel aus, der Wert der Aktie steigt aber. Geschieht das, passen wir den Index an, indem wir Apple abbauen und Exxon zukaufen. Wir verkaufen also teurer gewordene Titel gegen solche, die billiger geworden sind. Das machen wir im Schnitt einmal pro Jahr.

Müsste man das nicht öfter machen?

Dazu gibt es verschiedene Studien: Bezieht man Transaktionskosten und sonstigen Aufwand ein, sieht man, dass das viertel- oder halbjährliche Anpassen zu hohe Kosten verursacht, als dass es sich rechnen würde.

Ihr Ansatz stützt auf Dividenden ab, die Firmen in der Vergangenheit zahlten. Was garantiert, dass sie das auch in Zukunft tun?

Das ist korrekt. Aber wir entfernen Unternehmen natürlich aus dem Index, wenn sie ihre Dividenden einstellen. Natürlich kann zwischen der Ankündigung einer Firma und unserem Rebalancing etwas Zeit verstreichen. Aber jedes regelbasierte Konzept folgt einem gewissen System. Auch wir sind ja keine Hellseher; im Leben gibt es keine Garantie. Klar aber ist: Halbiert jemand seine Dividende, sinkt seine Bedeutung im Index.

Drängen sich Dividendenstrategien im Tiefzinsumfeld wie heute erst recht auf?

Ich denke schon. Viele Investoren suchen Ertrag, den sie früher mit Anleihen erzielten. Konnte man früher mit Bonds das Vermögen in zehn Jahren verdoppeln, braucht man dazu heute 195 Jahre! Wer Geld einfach parkieren will, bringt das mit Obligationen noch knapp hin. Aber wer Ertrag will, muss ausweichen. Dividendentitel sind ein Weg.

Ist das Halten von Dividendenfonds nicht auch mit Blick auf die hiesige Verrechnungssteuer interessant?

Korrekt. Ausschüttungen aus Dividendenfonds fliessen zu 100% den Anlegern zu. Soweit uns bekannt ist, wird also keine Verrechnungssteuer in Höhe von 35% abgezogen, wie es auf Dividenden von Aktien der Fall ist, die man direkt hält.

Passives Investieren via ETF ist auch deswegen beliebt, weil es weniger kostet als aktive Fonds. Fonds mit komplexeren Ansätzen werden aber teurer und entfernen sich damit vom Ursprung der ETF-Vision.

Stopp. Schauen Sie sich unsere Gebühren an. Sie schwanken zwischen 29 und 54 Basispunkten. Damit sind wir deutlich billiger als aktive Fonds. Wichtiger aber: Wir bieten bessere risikoadjustierte Renditen. Letztlich ist entscheidend, ob unser Ertrag nach Gebühren höher ist als die Marktrendite. Und dem ist so, im Schnitt um rund 1%.

Je komplexer aber ETF werden – es gibt mittlerweile schon solche, die sich aktiv nennen –, desto verwirrender für die Kunden.

O. k. Aber letztlich geht es darum, dass das Konstrukt des ETF als Produktemantel das Beste ist, das es gibt. Es ist transparent, günstig, fair. Ein noch so kleiner Anleger kann mitmachen und sich ein sehr ausgeklügeltes Portfolio bauen. Irgendwann werden wir nur noch ETF-Konstruktionen sehen.

Interview: Charlotte Jacquemart